Für immer magisch

Ich kaufe mir einen Pullover mit zwei riesigen bunten Pilzen drauf und der Aufschrift: „Für immer magisch“. Damit fühle ich mich cool wie jemand der mit dem kommentieren von Videospielen auf Youtube sein Geld verdient. Oder mit dem Präsentieren der eigenen Arschbacken auf Only Fans. Und: Wie eine 40jährige Mutti in der Midlife-Crisis. In Wahrheit befinde ich mich wohl irgendwie dazwischen. 

Die Frau hinter mir an der Kasse wedelt mit ihren Rabattmarken und sagt: 

„Toll, was sie sich trauen.“

Woher weiß Sie, dass ich gerade drei Wochen allein mit meinen zwei Kindern in Kanada gewesen bin? 

Sie meint natürlich den Pullover. „Soetwas peppiges. Das bringt Farbe in den grauen Alltag.“

Ich fühle mich in meiner Kaufentscheidung bestärkt. Und will gleichzeitig betonen, dass mein Alltag ja gar nicht so grau ist. Tolle Patchwork-Familie mit drei Kindern. Abwechslungsreiche Selbstständigkeit. Berlin gleich um die Ecke. Und ein Zuhause in der Kleinstadt in der aber wahrscheinlich mehr geht als im Rest Brandenburgs. Nein, irgendwie nicht grau. Und irgendwie auch manchmal doch. Falls man die Farbe grau als Symbol für eine gewisse Art von Eintönigkeit betrachten möchte. Oder sie für das leicht hervorsehbar gelebte Leben steht.

Beim Jonglieren des Familienalltags zwischen Wäschebergen und Töpfchentraining und dem Einstempeln beim neuen Lohn-Job geht eine gewisse Magie verloren. Nicht gänzlich. Und natürlich gibt es einen Haufen magischer Moment mit den Kindern, meinem Partner, der Familie. Vielmehr geht es darum, dass man sich selbst ganz schön leicht aus den Augen verlieren kann. Die eigenen Bedürfnisse, die eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Die vor allem scheinen oft gar nicht mit dem Alltag kompatibel zu sein. Und um das nicht zu fühlen, suchtet man ein bisschen hier und ein bisschen da. Der eine mit Zucker, der andere mit Sex, die nächste mit Netflix-Binge-Watching. Sind wir nicht alle auf die ein oder andere Art kleine Verdänger? Pardon. Verdrängen*innen.

Ich will nicht in Klischees sprechen. Und erlebe sie dennoch: Männer suchen sich eine jüngere Frau. Oder experimentieren mit psychedelischen Drogen in Thailand. Oder all of the above. Optionen, die für Frauen in der Lebensmitte, zumal sie Kinder geboren haben, viel weniger in Frage kommen. Zumindest viel weniger in Frage zu kommen scheinen. Stattdessen investiert man in Q-10-Cremechen und überteuerte Nahrungsergänzungsmittel in der Hoffnung sich dadurch irgendwie wieder besser zu fühlen. Oder zumindest ein bisschen mehr bei sich.

Also vorausgesetzt man hat nicht schon in den Jahren zuvor ein Erleuchtungserlebnis erfahren und schwirrt nur noch entspannt im All-Eins-Sein der Universen. Zwar wird es in den sozialen Medien gerade fast schon hip sich einen gewissen Grad an Krise einzugestehen. Aber meiner realen Welt halten die meisten doch die ‚Ich schaff das schon‘-Fahne nach oben. Vor allem, wenn Kinder im Spiel sind, ein Haus dass es abzubezahlen gilt, ein Unternehmen, das einen zu brauchen scheint.

Wer bin ich? Was will ich?

Dabei ist es ja durchaus legitim sich immer mal wieder zu fragen, wohin das eigene Schiff gerade steuert und ob die Richtung immer noch dem inneren Kompass entspricht.

Wer bin ich?

Was will ich?

Und woran glaube ich eigentlich noch?

Sich einzugestehen, dass es eventuell eines Kurswechsels bedarf, ist, wie ich finde, auch viel authentischer als eine positive Lebenseinstellung mit zu faken. Wir sind keine starren Existenzen, sondern fluide Wesen – der Wandel ist Teil unserer Natur. Und auch wenn Zustände wie ‚Endlich angekommen‘ oder „Zur Ruhe finden“ in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert haben – Veränderung ist prägt unser Sein. Ebenso wie die Magie. Das Unsichtbare. Das nicht-Greifbare. Das Wundersame.

Magie im Alltag

Nun fühlt es sich so an, dass ja nicht alle ein magisches Leben leben können. Zum Beispiel nach Bali ziehen, am Strand liegen, interessante Menschen treffen und tolle Bücher schreiben. Also was auch immer Magie für den Einzelnen bedeutet. Nein. Wir gehen ins Büro oder auf den Spielplatz, stehen im Stau und machen Steuererklärungen und Termine für den Reifenwechsel.

Wie soll da Magie entstehen?

Ich muss mich mit einem Pilz-Pulli daran erinnern. Und darin üben, das Besondere im Alltäglichen wahrzunehmen. Das geht auf so viele verschiedene Weisen, am effektivsten für mich ist das Innehalten. In Form von Meditation und Achtsamkeitsübungen. Und Schreiben. Das hilft mir dabei, die kleinen besonderen Momente und Besonderheiten zu sehen. Und vor allem: Zu fühlen.

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