Becoming – From maiden to mother

Foto von Danny Merz Mensch // geburtsreportage

Agnes Theresia ist Doula. Sie begleitet Frauen durch Schwangerschaft, Geburt, Trauma- und Trauerprozesse. Hier schreibt sie über ihre eigene Erfahrung des Mama-Werdens.

Ich gestehe, ich erkenne jetzt, fast zwei Jahre in dieser tiefen Reise als Mama, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, was mich erwarten würde.

Meine Jahre als Doula und Frauenbegleiterin hatten mir gezeigt was es bedeutet auf diese Reise zu gehen. Ein Kind zu gebären. Weiblichkeit zu leben. Und in diesem Wissen habe ich versucht mit so wenig Vorstellungen wie möglich in meine Mutterschaft zu gehen. Ich habe Bücher gekauft, ja, aber kaum eines wirklich gelesen. Von Anfang an war für mich klar, dass ich eine Hausgeburt möchte. Verbunden mit mir, im Kreise von Frauen. Ich habe ganz in meiner Schwangerschaft gelebt, es zelebriert und spüre selbst jetzt noch manchmal eine Sehnsucht an diese kostbare Zeit. Ich war so unglaublich gerne schwanger und habe voller Stolz diese Kugel vor mir hergeschoben. 

Ich habe mich unendlich weiblich und sexy gefühlt, mein Körper ein Kunstwerk. Tief verbunden mit allem, was ist. 

Ich wusste wer ich bin. Ich wusste mit tiefer Gewissheit, ich kann dieses Kind gebären. Ich wusste, ich werde in diese Rolle hineinwachsen.

Alles andere war weit weg. 

Ein leichter Schimmer am Horizont.

Ich dachte, ich wäre vorbereitet.

Auf alles.

Ich dachte ich hätte eine leise Ahnung, wie heilig dieser Übergang vom Mädchen zur Frau zur Mutter sein würde… was er bedeutet. The sacred passage. 

Und wie und als wer oder was ich auf der anderen Seite wieder auftauchen würde.

Ich dachte… I thought I knew.

Heute weiß ich, ich hatte keine Ahnung.

Heute weiß ich, dieser Teil von mir, der selbst mitten in meiner Geburtsreise noch nicht glauben konnte und vielleicht auch wollte, dass es wirklich los geht, war der Anteil meiner Jungfrau, der noch nicht bereit war zu sterben.

Die junge Frau, die noch etwas zu sagen hatte. Die bleiben wollte.

Bis zur letzten Minute wollte ich schwanger bleiben. An einem einzigen Tag in meiner gesamten Schwangerschaft hatte ich keine Lust mehr und genau diesen Moment hat diese kleine Seele genutzt. Geduldig wartend bis ich endlich so weit war.

Aber war ich das tatsächlich?

Ja und nein.

Denn niemand konnte mich vorbereiten auf diesen Abschied. 

Da saß ich nun also. Als frisch gebackene Mama mit diesem kleinen Paket in meinen Armen. Die nächsten 6 Monate waren eine Achterbahnfahrt… ich war überall, nur nicht bei mir und wie die Gesellschaft einem immer wieder suggeriert, dass nach 6 Wochen alles wieder back to normal sein soll ist mir ein großes und unverständliches Rätsel. Was bedeutet das überhaupt, „back to normal“? Zurück zu was?

Geburt öffnet uns, auf allen Ebenen.

Geburt verändert uns.

Gleichzeitig glaube ich auch fest daran, dass wir genau die Geburt erleben, die wir brauchen, um uns auf die nächste Reise zu uns zu schicken, denn: your story is your medicine. 

Oft kam mir in dieser Zeit die Frage, ob ich gerade näher an meinem wahren Kern bin, als je zu vor… oder Lichtjahre davon entfernt?

Viele Freundschaften zerbrachen in dieser Zeit, oft verbunden mit der Aussage „Ich erkenne dich nicht wieder.“ 

Wie auch? 

Ich war „in between“. Vollkommen dazwischen. Nicht mehr die eine, noch nicht die andere. Die Jungfrau, die junge Frau, die trotz all der Vorbereitung vollkommen überrumpelt Platz machen musste. Anteile von mir, die noch in der Zeit vor Schwangerschaft und Geburt festhingen. Diese junge Frau wollte betrauert werden. War zerrissen zwischen bemuttern und bemuttert werden wollen. Und gleichzeitig wusste ich tief in mir, es gibt kein Zurück. Der einzige Weg war mich vollkommen diesem Übergang hingeben. Versinken in meiner Mutterschaft. Mich davon mitreißen lassen. Dem wilden Strom ergeben.

Drowning in the waves of Motherhood.

Not just riding the waves but diving into them, head first and not be afraid of being swallowed by the sea.

Die absolute Hingabe in das Mutter sein. Was vermeintlich romantisch scheint war in Wirklichkeit ein wilder Sturm auf hoher See. Ein sehr schmaler Grad zwischen absoluter Hingabe und Aufgabe. Die nächsten Wochen und Monate war ich verschwunden. Vollkommen aufgelöst. Die Jungfrau, Agnes die junge Frau, gestorben. Für den Moment war ich nur noch Mutter. Existierend einzig und allein für dieses neue Leben. Was sich im Nachhinein so krass anhört war eine wichtige Initiation für mich, denn nur so konnte ich diese neuen Puzzleteile zusammensetzen. 

Sich verlieren um neu zu finden. 

Mich fragen, wer bin ich als Mutter? Unweigerlich verbunden mit all den tief sitzenden und wahrscheinlichen über Generationen weitergegeben Bildern und Vorstellungen von Mutterschaft. Was bedeutet Mutter sein eigentlich? Ein Sprengen der Glaubenssätze. 

Wer möchte ich tatsächlich als Mutter sein? Und das Eingestehen, wie oft ich mich in einer Wunschvorstellung sehe, die ich einfach nicht erfülle, da der Schuh nicht passt.

Niemand kann dir sagen wie du als Mutter sein wirst. Niemand kann dir sagen wie du als Mutter zu sein hast. Und doch werden es alle tun. 

Ich habe in der Schwangerschaft jeglichen Kurs belegt. Aus Neugier. Aus Freude auf das Neue. Sicherlich auch um möglichst sicher und vorbereitet auf diese Reise zu gehen. Für alle Eventualitäten gewappnet.

Obendrauf war ich ja auch noch Doula und Frauenbegleiterin… ich hätte es also im Grunde genommen wirklich wissen und „können“ müssen. 

In den ersten Wochen und Monaten kam mir oft das Gefühl des Versagens obgleich dieser bedingungslosen und so tiefen Liebe für dieses Kind. Mutter sein fiel mir leicht und gleichzeitig hatte ich keine Ahnung wer mir da im Spiegel entgegen blickt.

Wie konnte mich, ausgerechnet mich, diese Reise innerlich  so zerreißen?

Wer bin ich heute? Knapp zwei Jahre nach der Geburt meines Sohnes und meiner Initiation zur Mutter. Bin ich angekommen? 

Ja und nein. Ich glaube nicht, dass diese Reise jemals endet und es das absolute Endziel gibt.

Dieses kleine große Seele, die ich täglich durch das Leben begleiten darf lehrt mich so viel. Über das Leben und vor allem über mich. Zeigt mir meine dunkelsten Ecken und zwingt mich dazu dort hinzusehen. Zu wachsen.

Gleichzeitig weiß ich jetzt auch, eine gewisse Abnabelung war und ist nötig, um mich und uns von außen betrachten zu können. Um mich zu er-kennen. Wir sind eine Symbiose und doch zwei eigenständige Wesen. Mir einzugestehen, dass ich Lust habe Agnes neu zu entdecken. Dass auch mir Raum gebührt.

Drowning in the sea of Motherhood and not being afraid to be swallowed and pulled into the depths of the ocean. Der dunkelsten Dunkelheit entspringt das Licht.

Nur so konnte ich wiedergeboren werden.

Und das nicht nach 6 Wochen, sondern dann als mein tiefstes Inneres bereit dafür war. Bei mir war das 15 Monate nach der Geburt meines Sohnes. Ganze 60 Wochen. 

Vielleicht dauert es bei dir kürzer, vielleicht auch länger. Ich wünsche mir, dass du dich traust dich dem vollkommen hinzugeben. 

Ich bin davon überzeugt, das Wochenbett dauert ein Leben lang. Denn, alles ist neu. Und ankommen in der Mutterschaft, lernen, erfahren, wachsen… tun wir das nicht so lange wir hier auf Erden sind? So lange wir unsere Kinder hier begleiten? Mutter bist du für immer.

Ich wurde im wahrsten Sinne des Wortes wach geküsst. Mit einem tiefen Atemzug tauchte ich wieder auf. Eine Erinnerung, an ein Leben oberhalb der Wasseroberfläche.

Auf einmal war da jemand, der auf die sanfteste Weise immer und immer wieder wissen wollte wie es mir geht. Nicht uns. Nicht meinem Sohn. Mir, ganz allein.

Erst da wurde mir bewusst, dass ich aufgehört hatte zu existieren. Ich sprach von uns. Wenn es eigentlich um meine Bedürfnisse ging, sprach ich unweigerlich von den Bedürfnissen meines Kindes.

…wach geküsst und aufgetaucht. Eine Erinnerung an das Leben davor und das Leben jetzt. Zum ersten Mal musste ich mich damit auseinandersetzen wer ich nun eigentlich bin. Wo ich bin. Was ich hinter mir gelassen habe, lassen musste.

Ankommen in meiner Mutterschaft.

Eines durfte ich erkennen: jeder Anteil in mir hat seine Berechtigung. Ich bin Mutter und ich bin Frau. Und diese Frau braucht Platz. Raum. Ganz ohne Kind. Ganz ohne Reue. 

Wer bin ich nun also?

Ich bin ich. Ich lerne täglich. Manchmal trauere ich nach wie vor um das junge Mädchen und gleichzeitig weiß ich, das Leben ist eine Aneinanderreihung von Übergängen. Tiefes Vertrauen hat sich in mir ausgebreitet. Wie ein warmes Summen in meiner Gebärmutter. Diese unendliche Liebe, die mich durchströmt und jede Erschöpfung vergessen lässt.

Ich liebe es Mutter zu sein.

Die Welt aus Kinderaugen neu zu entdecken. Der sichere Hafen zu sein für dieses Wunderwesen. 

Und ich liebe es Agnes zu sein. Hier anzunehmen, zu akzeptieren, dass es sich nun um eine ältere Version meiner selbst handelt. Und diese Frau in vollen Zügen zu empfangen und zu leben.

Agnes als Frau und als Mutter darf alles sein, was sie will. 

Frei. Wild. Sanft. Still. Laut. Tief. Erfüllt von Lust. Erfüllt von Leben.

Ja, alle werden dir sagen wie du als Mutter zu sein hast. Und doch möchte ich dich ermutigen, fernab von Konditionierungen anderer, auf deine ganz eigene Reise zu gehen. 

Dich kennen zu lernen. Herauszufinden was Mutterschaft für dich bedeutet.

Ich habe jeglichen Kurs in meiner Schwangerschaft belegt. Einen klassischen Geburtsvorbereitungskurs, Hypnobirthing, Spinning Babies, Bauchtanz,… worauf mich keiner dieser Kurse vorbereiten konnte:

Mein Übergang von dem jungen Mädchen zur Mutter.

Auf allen Ebenen. Tief in mir.

Das Sterben und das Wiedergeboren werden.

Der Abschied und der Neubeginn.

Das Verlieren und neu finden.

Agnes Theresia bietet ab dem 6. Oktober eine Dreimonate Initiationsreise in die Mutterschaft an. Alle weiteren Infos findest du hier: https://www.instagram.com/agnestheresia.doula/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert