Was ist Dein Ding? Die Liebe!

Foto by stocksy @pinterest

Er fragt: „Und? Was ist deins? Was ist dein Ding?“

Das Erste und Einzige, was mir dazu einfällt, ist: „Die Liebe.“

Aber ich lasse diesen Gedanken nicht aus mir heraus, behalte ihn am Ursprung seiner Existenz in mir. Und schäme mich.

Zum einen weil ich jetzt nicht uncool und wie ein hyperverliebtes Etwas, das tagein und tagaus nur an die Liebe denkt, wirken möchte. Und zum anderen weil das doch nun wirklich nicht alles sein kann was mir auf diese Frage einfällt.

Die Liebe?

Wie kann denn die Liebe das Ding von jemandem sein?

Was macht man denn damit, mit der Liebe?

Also ich meine, wie würde ein Berufsberater reagieren, wenn das alles ist, was einem zum Thema Zielfindung einfällt?

Ganz zu schweigen von meiner Mutter.

Ich denke an ein paar Jobs, die mit diesem meinen Ding in Frage kommen könnten: Paarberaterin. Flirtcoach. Hochzeitssängerin. Prostituierte. Das ein oder andere davon habe ich wirklich schon einmal für den Broterwerb in Betracht gezogen. Es gibt fast nichts Anrührenderes als auf einer Hochzeit zu singen. Irgendwie sind alle in so einer festlichen, der Liebe zugewandten Stimmung und endlich kann ich ganz ungeniert all die Schnulzen trällern, die ich sonst nur heimlich hinter verschlossener Tür zum Besten gebe. Hoffend, dass niemand sich die zuletzt gehörten Titel auf Spotify zu genau anschaut und dabei zum Beispiel ‚Sag es Laut‘ von Xavier Naidoo entdeckt.

Nachhaltigkeit oder Yoga: Bei manchen ist es einfach klar

Es gibt Menschen, bei denen ist das einfach klar, was ihr Ding ist.

Meine Freundin Jessi hat beschlossen, dass sie ihr Leben lang nur noch ein Kleid trägt, um der Kleidungsindustrie den Finger zu zeigen. Nachhaltigkeit. Das ist so ein Ding.

Eine andere Freundin beherrscht fast alle Yogapositionen, die es gibt und bietet Workshops im Mantrasingen an. Yoga. Das ist ihr Ding.

Philip spielt sieben Instrumente und ist ein Pro an der Loop-Station. Jede Woche schickt er mir seinen neusten Remix, der dann eine Woche darauf in irgendeinem angesagten Berliner Club die Crowd schwitzen lässt. Musik. Das ist absolut sein Ding.

Und Paul, Paul schleicht jedes Wochenende auf leisen Sohlen mit einer Horde von Menschen durch den Wald und erklärt ihnen die verschiedenen Vogelstimmen. Wie ein Vögel tönt, wenn er Liebe machen will. Und wie er dann tönt, wenn Gefahr im Anzug ist und er die anderen warnen möchte. Der Wald, die Natur, die Vögel. Das sind absolut seine Dinger.

Bei manchen Menschen ist das einfach klar.

Da stellt sich die Frage nach dem Ding gar nicht.

Weil die Antwort für alle so offensichtlich ist.

Und dann gibt es Menschen wie mich.

Du musst Dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast

Menschen, die so viele Eisen im Feuer haben, dass sie und alle anderen gar nicht wissen, was dieses eine Ding eigentlich sein könnte. Ich hatte mal einen Liebhaber, Thomas, der war Coach. Und er erklärte mir, dass es bei manchen Menschen eben so sei. Manche Menschen haben eben nicht dieses eine Ding auf das sie sich voll und ganz fokussieren. Dieses eine Ding, das sie mehr interessiert, ihre Leidenschaft mehr hervorruft als alles andere. Wo dann bei der Beerdigung alle sagen werden: „Ja, das war einfach voll ihr Ding. Das konnte sie. Dafür war sie hier. Dafür hat sie gelebt.“ Bei manchen Menschen ist das nicht so. Die haben kein Ding. Oder einfach mehrere Dinger. Thomas nannte sie Scanner.  Diesen Begriff hat er sich nicht ausgedacht, sondern aus einem Buch mit dem Titel: „Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast!“ Darin schreibt die Autorin, eine Karriereberaterin wohlbemerkt, Sätze wie: „Sie sind nicht dafür geschaffen, sich auf ein Interesse festzulegen, und das müssen sie auch nicht. Sie sind nämlich ein völlig anderes Geschöpf.“ Und sie sagt auch: „Wenn Scanner nicht meinen würden, sich auf einen Bereich beschränken zu müssen, wären 90 Prozent ihrer Probleme gelöst!“

Ich hab das gelesen und irgendwie verstanden. Aber wohl noch nicht zur Genüge. Denn dann kommt eine Frage nach dem Ding und schon werde ich ganz orientierungslos. Ein Hans-Dampf in allen Gassen will man doch nicht sein. Wo bleibt denn da der Fokus? Die Ausrichtung? Das Ziel?

Und weil sich alles andere einfach nicht anfühlt wie das eine Ding, nimmt man einfach mal das Abstrakteste, was der Geist in dem Moment zu greifen vermag: Die Liebe.

„Das Leben ist kurz wie ein halber Atemzug – pflanze nichs als Liebe.“ – Rumi

All die Facetten der Liebe

Was gar nicht so weit hergeholt ist: Ich beschäftige mich die meiste Zeit des Tages direkt oder indirekt mit der Liebe.

In all ihren verschiedenen Formen und Facetten. Die romantische Liebe, die erotische Liebe, die Elternliebe, die Nächstenliebe, die Liebe zu Gott. Ich übe die Liebe zu mir selbst, ich spüre die tiefe Liebe zu meinem Sohn, ich seniere darüber, wie das Putzen und schön machen des Heimes ein Ausdruck von Liebe ist. Ich liebe es, die Anfänge der Liebesgeschichten von Paaren zu hören und arbeite daran, mich weniger ungeliebt und mehr geliebt zu fühlen. In meinem Bücherregal reiht sich ‚Liebe radikal‘ an ‚Die Kunst des Liebens‘, ‚Liebe Dich selbst und es ist egal wen du heiratest‘ und „Wenn es verletzt, ist es keine Liebe“. Und nach wie vor spreche ich lieber über das mögliche Gelingen von Beziehungen als über aktuelle politische Debatten.

Ich wasche die Unterhosen meines Ex und frage mich, ob das ein Ausdruck von Liebe ist, und wenn ja, von Liebe in welcher Form. Ich blitz-verliebe mich in die Verkäuferin im Bioladen und kurz darauf in zwei Teenies in der Regionalbahn, die darüber philosophieren, ob man nach einem Kuss schon zusammen ist. Ich verspüre eine Menge Liebe, wenn meine beste Freundin ein Video von sich und ihrem Sohn aus Stockholm schickt. Und wenn mein Freund in mir kommt. Alle meine Lieder handeln irgendwie von Liebe. Und dann meditiere ich und liebe auf einmal jeden und alles was ist.

Das ist ja auch menschlich, nicht irgendwie, sondern sogar wissenschaftlich bewiesen. Wer viel über die Liebe nachdenkt und romantischen Liebesidealen nachstrebt, ist nicht alleine. Vier von fünf Menschen in Deutschland glauben an die große Liebe. Die kollektive Utopie der Liebe.

Die Liebe, ja, die Liebe ist mein Ding

Also ja, ich kann auch mal dazu stehen: Liebe ist mein Ding.

Und ich könnte das nun einfach mal so stehen lassen.

Wäre da nicht der Druck der konstruktiven kapitalistischen Gesellschaft, die über uns hängt wie ein Damoklesschwert. Wie lässt sich die Liebe in ein Projekt verwandeln? Wie lässt sich damit ethisch und moralisch korrekt etwas machen? Geld verdienen? So, dass es allen etwas bringt und die Welt ein bisschen besser macht. Und mich zufriedener. Ne Liebes-App? Ein Liebesbrief-Service? Ja, das ist die Idee: Ich verkaufe Liebesbriefe! So bekommen die Menschen auch mal wieder handfeste Liebesbeweise statt virtuelle Emoji-Herzen, die dann, kurz betrachtet, im Rausch des Datenuniversums untergehen.

Was also machen mit der neu gewonnenen Erkenntnis, dass scheinbar die Liebe mein Ding ist?Vielleicht nichts.

Vielleicht einfach nur lieben.

Ich kann dir alle Rätsel der Schöpfung sagen: denn aller Rätsel Lösungswort ist mein, die Liebe. – Rumi

Das Hohelied der Liebe aus der Bibel bringt es auf den Punkt.

Alles Liebe,

Daniela

*Achtung, dies ist ein literarischer Text, der keineswegs den Anspruch verfolgt das Thema Liebe in all seinen Facetten auch nur ansatzweise umfassend zu ergründen.

 

Diese Bücher mag ich Dir zu diesem Thema gerade besonders ans Herz legen:

Liv Strömquist: Der Ursprung der Liebe

Erich Fromm: Die Kunst des Liebens

Charles Eisenstein: Die schönere Welt, die unser Herz kennst, ist möglich

Marianne Williamson: Verzauberte Liebe

Robert Heeß: Ich liebe Dich gerade

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert