Ich liebe all deine Tränen

@Christian Newmann/ Unsplash

Und da ist er wieder, dieser Moment: Langsam schießt das Wasser in deine Augen. Und dann laufen die Tränen. Schnell und routiniert bewegt sich deine Hand zu deinen Augen. Du willst deine Tränen wegwischen.

Das ist dir gerade richtig unangenehm

Weil du denkst:

Jetzt nur nicht weinen.

Das ist gerade wirklich der falsche Moment.

Nein, hier kann ich doch jetzt nicht weinen.

Wie peinlich!

Oh Gott, das ist richtig peinlich.

Ich will ja jetzt auch keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen.

Oder wie eine Heulsuse wirken.

Es gibt ja auch eigentlich keinen Grund zu weinen.

Oder doch?

Ich dachte, ich sei damit durch.

Kriege ich vielleicht bald meine Tage?

Ich bin viel zu emotional.

Warum weine ich denn jetzt?

Wenn ich jetzt weine, dann denken die anderen, dass ich schwach bin.

Ich habe jetzt keine Zeit zu weinen.

Ich muss weiter machen.

Ich kenne die doch kaum. Ich kann doch jetzt vor denen nicht weinen.

Wenn die wüssten, wie oft ich zuhause weine.

Oh je, ich würde mich am liebsten verkriechen.

Was denken die jetzt von mir?

Ich bin doch echt ne Heulsuse.

Oh Mist, die Tränen laufen einfach immer weiter.

Ist es okay vor Freude zu weinen?

Bin ich jetzt eigentlich gerade wirklich traurig?

Oder doch eher wütend?

Kann mich mal irgendwer in den Arm nehmen?

Oder ist das jetzt zu bedürftig?

Irgendwie kann ich ja auch alleine damit klarkommen.

Irgendwie sollte ich ja auch alleine damit fertig werden.

Diese Liste könnten wir gemeinsam wahrscheinlich unendlich lang werden lassen. Denn wir leben in einer Kultur, in der die Scham für die eigenen Tränen unendlich groß ist.

Auf der Arbeit zu weinen ist nicht professionell. Tränen in daheim könnten die Partner überfordern. Oder die Kinder. Und vor den Freunden hat man ja irgendwie auch schon oft genug geweint.

„Die Scham bezieht ihre Macht daraus, dass sie nicht ausgesprochen wird. Wenn wir uns der Scham hinreichend bewusst werden und sie benennen und aussprechen können, haben wir ihr letztlich die Existenzgrundlage entzogen. Die Scham hasst es, wenn man sie in Worte fasst.“ Brené Brown

Was wäre, wenn ich dir sagen würde: Ich finde deine Tränen wunderschön!

Ich liebe Deine Tränen

Was wäre, wenn ich dir sagen würde: Ich liebe Deine Tränen.

Ich liebe all deine Tränen.

Ich liebe die Tränen deines Schmerzes.

Und die Tränen deiner Traurigkeit.

Ich liebe die Tränen deiner Verzweiflung.

Und die Tränen deiner Erschöpfung.

Ich liebe die Tränen deines nicht Wissens.

Und die Tränen deiner Sehnsucht.

Und auch die Tränen deiner Wut.

Und genauso liebe ich die Tränen deiner Freude.

Die Tränen deiner Berührtheit.

Die Tränen, die fließen, wenn etwas so schön ist, dass es dich tief berührt.

Ich liebe die Tränen deiner Freude

Ich liebe die Tränen deines Glücks.

 

Ich liebe all Deine Tränen.

 

Wir brauchen uns nie zu schämen für unsere Tränen. – Charles Dickens

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