Liebe Männer, entschuldigt!

@Unsplash

Zum internationalen Tag der Männer.

Dieser Text ist aus einer tiefen persönlichen Erkenntnis entstanden und er beansprucht weder Vollständigkeit noch umfassende Information. 

Ich lese ihr seine Nachricht vor. Ich hoffe auf Zuspruch. Und Mitleid. Für mich. Und Abschätzung für ihn. Aber sie sagt: „Warum gibst du deine ganze Energie an ihn ab? Warum kreierst Du Dir ein Drama?“ Ich höre ihre Worte und weiß sie hat Recht. Aber ein Teil von mir will das nicht hören. Und schon gar nicht will ich zum wiederholten Male eingestehen, dass ich mich in der Opferrolle befinde.

Weil das meine gewohnte Rolle ist. Eine Rolle, die ich Jahre lang kultiviert und gepflegt habe. Bewusst. Und unbewusst. Eine Rolle, deren Handlungsmuster mir so vertraut sind. Mein inneres Kind fühlt sich wohl darin. Und meine innere Jugendliche sowieso.

Ich denke, ich habe nicht wirklich etwas falsch gemacht.

Vielleicht ein bisschen.

Aber eigentlich haben die anderen es verbockt.

Das könnten sie wenigstens einsehen.

Oder besser noch: Sie könnten reumütig vor mir auflaufen und sich entschuldigen.

Und ich erkenne: Sie, damit meine ich eigentlich die Männer. Angefangen bei meinem Vater. Und all den anderen Männern in meiner Familie. Bis hin zu all jenen, die jemals mein Herz brachen. Oder sagen wir es verantwortungshalber korrekter: Die sich bewusst und manmchal auch gänzlich ohne sich darüber im Klaren zu sein so verhielten, dass es mich verletzte.  Und ach, irgendwie auch alle Männer.

Eine Mauer gebaut aus Schmerz

Und die Erkenntnis wiegt schwer. Tief in meinem Herzen gibt es immer noch eine Mauer. Eine Mauer gebaut aus Schmerz. Lange dachte ich, sie bestünde nur aus den Geschichten meines eigenen Lebens. Lange dachte ich, sie sei einfach nur die Summe aus meinen frühkindlichen Erfahrungen und all den weiteren Erfahrungen, die ich, Daniela, in diesem Leben mit Männern gemacht habe. Die Summe aus den Aneinanderreihungen von unerwiderter Liebe, Verletzungen. Vertrauensbrüchen und Trennungen. Von den gestorbenen Hoffnungen und den unausgesprochenen Bedürfnissen. Die Psychologie hat viele Wörter erfunden um die daraus entstehenden Muster zu pathologisieren.

Doch wenn ich genau hin spüre, dann merke ich, dass dieser Schmerz weit über meine eigene Geschichte hinausgeht. Viel weiter. Er reicht weit zurück, so als würde ich für meine Ahninnen mitfühlen. Für meine Mutter, meine Tanten, für meine Großmütter und die Großmütter vor ihnen. Glaubenssätze über Männer schwirren in meinem Kopf herum, die auch mal die ihren waren. Der Kampf um Wissen und Bildung. Der Kampf um das Recht zu wählen und zu arbeiten. Um Autonomie und um sexuelle Selbstbestimmung.

Und wenn ich noch tiefer forsche, dann reicht dieser Schmerz Jahrhunderte, Jahrtausende weit zurück – ein kollektiver Schmerz über die vielen vielen Zeitalter in denen das weibliche Geschlecht unterdrückt wurde. Nicht jeder mag an eine solche Schmerztheorie glauben. Und manch einen macht diese Annahme vielleicht auch wütend. Fakt ist jedoch, dass wir alle auf die ein oder andere Weise durch das Leben und das Leiden der Generationen vor uns geprägt wurden.

Und ich fühle das. Es war nicht immer so. Doch je bewusster ich mich mir selbst, meinem Körper, meiner Seele und meinen Beziehungsstrukturen gewidmet habe, desto deutlicher wurde es. Es ist ein Schmerz, der nichts mit mir zu tun hat und doch so unendlich viel, denn er wirkt in meinem Leben, in meinen Beziehungen zu Männern. Und zu Frauen.

Es fiel mir schwer zu vertrauen.

Es fiel mir schwer, mich fallen zu lassen.

Es fiel mir schwer, zu vergeben.

Ich war voller Vorwürfe. Und wusste manchmal nicht genau warum.

Ich hoffte auf Entschuldigungen, Zugeständnisse.

Und ach, habe ich gelitten. Unter all dem Liebesschmerz. Und den Vertrauensbrüchen. Ich habe gewütet. Und mich wie ein verwundetes Reh verkrochen. Und mich in meiner Opferrolle gesuhlt. Manchmal passierte das ganz bewusst. Manchmal aber auch unbewusst. Einfach in der Art und Weise meines Umgangs mit Männern.

Entweder habe ich sie vergöttert und auf ein viel zu hohes Podest gestellt. Oder sie irgendwie als lustgesteuerte bemitleidenswerte Wesen abgestempelt. Ihre Lust machte mir manchmal Angst. Beides überhaupt nicht im Sinne einer tiefen Verbindung auf Augenhöhe.

Vielleicht denkst Du jetzt: „Nein, also das ist bei mir ganz anders. Ich komme gut mit Männern klar und habe da auch gar keine unterschwelligen Programme laufen.“

Falls dem wirklich so ist: Wunderbar!

Aber falls du dich irgendwie in meinen Worten wieder entdeckst: Es lohnt sich, dieses Thema genauer zu betrachten.

Zumindest für mich. Da ich mich nicht mehr von diesem Schmerz lenken lassen möchte. Da ich nicht länger in der Opferrolle verharren möchte. Es gab den Moment, da war es sinnvoll für mich, diesen Schmerz überhaupt erst mal anzuerkennen. Ihn wahrzunehmen, in meinem Körper und in meiner Seele zu spüren.

Doch ich möchte weiter gehen und meinen Teil – mag es auch nur ein kleiner sein – dazu beitragen, dass es mehr und mehr wirklich tief geheilte Verbindung zwischen Männern und Frauen gibt. Und mehr Vergebung und Liebe als Vorwürfe und Trennung. Ich möchte mein Herz öffnen und offen halten. Immer wieder aufs Neue möchte ich Menschen mit einem geöffneten Herzen begegnen, geleitet von dem Wunsch nach einer tiefen Verbindung, die über jegliche Verletzungen, jegliche Geschlechtsidentifikationen, jegliche Geschichten hinaus geht.

Und ich fange heute damit an und entschuldige mich bei allen Männern, die ich jemals bewusst oder unbewusst, manipuliert, verurteilt und verletzt habe. Bei allen Menschen.

Und wer jetzt denkt: Och, das ist wieder so ein Trend. Muss man das machen?

Nein, muss man nicht. Aber man kann, wenn es sich irgendwie danach anfühlt. Wenn Dein Herz dir irgendwie sagt, dass es Zeit für einen neuen Weg ist.

Mayonna A. Bliss – die Mitinitiatorin des Frauenkongresses – beschreibt es so:

„ Das Erwachen einer neuen Weiblichkeit ist ein kollektiver Schritt aus dem Opfersein. Über die Jahrhunderte waren Frauen mit dem Opfersein identifiziert. Die Verletzungen der Weiblichkeit haben einen kollektiven weiblichen Schmerzkörper gebildet, von dem viele Frauen meist unbewußt bestimmt sind. Es braucht viel Mut, Klarheit und die Unterstützung in einem Kraftfeld der Schwesternschaft, um Licht in den weiblichen Schmerzkörper zu bringen und die noch wirkenden Muster zu erkennen und zu transformieren.

Zum Weiterlesen empfehle ich unter anderem folgende Texte:

https://www.elephantjournal.com/2013/08/healing-the-wound-that-is-female/

https://www.erwachte-weiblichkeit.de/verein/vision/artikel-zur-erwachten-weiblichkeit-aus-tattva-viveka.html

Versöhnung zwischen Frau und Mann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert